Teil 1 (von 3): Halbfinals und FINALE der EM 2016

Mein letzter EM-Bericht wird ein langer Bericht, denn er wird die beiden Halbfinals, einen Strandtag und ein Paris-Wochenende umfassen, mit dem EM-Finale als krönenden Abschluss. Los ging es am Mittwoch um halb acht. Den Sohnemann im Kindergarten deponiert, den Mietwagen in Hanau abgeholt, die nötigsten Einkäufe (Snacks, Redbull, Getränke, Obst) im Supermarkt besorgt, fuhr ich um halb neun in Hanau los. Ziel war das ca. 700 Kilometer entfernte Lyon, wo das erste Halbfinale zwischen Wales und den Portugiesen stattfand. Als einzigen Zwischenstopp wählte ich unfreiwillig Karlsruhe, dort nahm ich vier Mitfahrer mit, die mich bis nach Lyon gegen eine kleine Gebühr begleiteten. Um vier Uhr kamen wir ohne größere Vorkommnisse in Frankreichs drittgrößter Stadt an. Axel hatte im zentral gelegenen Hotel schon eingecheckt, so dass ich nur noch meinen Koffer aufs Zimmer bringen und mein Stadion-Outfit anlegen musste. Ein nahegelegener Parkplatz direkt an der Rhone sollte sichere Heimat meines Mietwagens bis zum nächsten Morgen werden.

Im angrenzenden Supermarkt deckten wir uns mit Kühlgetränken ein, die lange Fahrt hatte durstig gemacht. Die Gruppe, die anfangs aus Axel und mir bestand, belagerte den Eingang des Supermarktes und vergrößerte sich zunehmend, erst stießen Marc und Dani dazu, dann Andi und Klaus, und zufällig schlenderten auch Steffen und Eva vorbei. Nachdem die Bestände auf ein Minimum gesunken waren, hielt uns nichts mehr an diesem Platz, und wir machten uns auf Richtung Stadion. Einmal mussten wir umsteigen, dummerweise war genau dort eine Bar, bei der zahlreiche Waliser auch einen Stopp machten. Der Einladung konnten wir uns nicht wiedersetzen und so verweilten wir dort auch noch einige Zeit. Wir waren uns einig, dass wir uns Sonntag alle in Paris wiedersehen würden. Nette Gespräche – ich wusste gar nicht, dass mein walisisch so gut ist – mit Walisern und Amerikanern ließen die Zeit schnell vergehen. Fast zu schnell, denn der Anstoß wurde nicht wegen uns verschoben.

— Tickets liegen auf der Straße —

Auf dem Weg zu den Einlasskontrollen fand ich auf dem Boden ein zerknülltes Papier. Da ich dies aber schon mein 13. Spiel bei der EM war, kamen mir die Farben des Papiers bekannt vor, und es stellte sich schnell heraus, dass die eine gültige Eintrittskarte für das heutige Match war. Was tun? Keiner vermisste seine Karte, der Fan tat einem schon Leid, ein Ticket für 170 Euro verloren zu haben, aber ihn zu finden, wäre unmöglich gewesen. So entschloss ich mich, das Ticket zu verkaufen, aber auch wie bei den meisten Spielen war die Nachfrage nicht sehr groß. Da ich mich auch nicht lang damit aufhalten wollte, verkaufte ich das Ticket an eine Russin für 50 Euro, und trank darauf – in Gedanken bei dem wahrscheinlich betrunkenen walisischen Fan – ein Bier.

Das Spiel entpuppte sich als das erwartete zähe Spiel. Wales konnte nicht, Portugal wollte nicht. Kurz nach der Halbzeit aber dann schon, und so zogen sie mit ihrem ersten Sieg nach 90 Minuten ins Finale des Kontinentalvergleichs ein. Nach dem Spiel schlenderten wir noch ein wenig durch Lyon auf der Suche nach etwas Essbaren, was aber leider nicht von Erfolg gekrönt war. So stellte sich mein Einkauf am Morgen schon früh als wertvoll heraus. Um 2 Uhr ging es ins Bett.

Am Donnerstag stand das große Finale, nominell erst als das Halbfinale von der UEFA auserkoren, auf dem Programm. Ohne den Wecker gestellt zu haben, verließen wir, also Axel und ich, frisch geduscht um 10 Uhr das Hotel. Der Supermarkt freute sich uns so schnell wieder zu sehen, dieses Mal wurden jedoch Sandwiches und Joghurt-Drinks (auch Kühlgetränke) von uns ausgewählt. An der Rhone ließen wir es uns mit den ersten Sonnenstrahlen gut gehen, bevor wir eine Stunde später nach Marseille aufbrachen.

— Treffen mit alten Freunden —

Gegen 16 Uhr und nach über einstündigem Stadtstau inklusive einer Vollsperrung einer Seitengasse 200 Meter vor unserem Hotel später, erreichten wir bei sommerlichen Temperaturen von weit über 30 Grad unser Ziel. Hier erwarteten Axel und mich auch schon alte Freunde, die wir bei der WM 2006 kennengelernt hatten. Unsere Gruppe am heutigen Abend bestand aus Axel, Andi (mit Klaus), Arne, Sven (mit Tanja), David und mir. Nach und nach trafen wir alle zusammen.

An der Hotelrezeption begrüßte man uns mit den Worten „We have to tell you that unfortunately your room…“ Scheiße… 2 Jahre im Voraus gebucht, ein Zimmer mitten in Marseille, nahe am Hafen, für 115 Euro bekommen (die Preise lagen ab ein Jahr vor der EM bei 250 Euro aufwärts), und dann klappt es nicht. Aber ich ließ die gute Frau ausreden und sie sagte, dass wir kein warmes Wasser auf dem Zimmer hätten, weil eine Leitung kaputt sei. Sie habe den Handwerker schon angerufen, aber sie könne nichts versprechen. Sie bot uns an, das Zimmer für 70 Euro zu bekommen, und Frühstück im Wert von 20 Euro für zwei Personen wäre auch noch dabei. Ohne uns groß anzuschauen stimmten wir zu. Bei 35 Grad und schweißnassen Hemden empfanden wir die Umstände eher als Belohnung denn als Mangel. Und so akzeptierte ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten noch ein paar Euros oder ein Frühstück auszuhandeln direkt das Angebot.

Kurz auf dem Zimmer frisch gemacht, fuhren wir dann gemeinsam zum Stadion. Leider trennten sich auf der Fahrt unsere Wege, da die Metro dermaßen überfüllt war, dass jeder seines eigenes Glückes Schmied war und sich irgendwo reinpresste, wo noch ein paar Zentimeter Platz waren. David und ich hatten die gleiche Metro-Tür erwischt und so fuhren wir gemeinsam weiter. David erlebte sein erstes EM-Spiel und so quatschen wir vor dem Stadion noch einige Zeit bevor wir dann in unseren Block gingen.

— Deutschland auf dem Weg ins Finale…—

Die Anspannung war da, aber vom Gefühl her konnte eigentlich nix schief gehen. Wir hatten Italien eliminiert, schwerer konnte es nicht kommen. Nach anfänglicher Nervosität beherrschte unsere Mannschaft zunehmend das Spielgeschehen und das Gefühl wurde weiter bestärkt. Bis zur Nachspielzeit der ersten Hälfte. Eine gefühlte Ewigkeit nach Schweinsteigers Handspiel (welches wir in der Situation live gar nicht gesehen haben) zeigte der (Un)parteiische auf den Punkt. Griezmann verwandelte sicher und so ging es mit einem Schock zum Pausentee. Irgendwann fiel dann auch das zwei zu null und spätestens dann waren alle Hoffnungen begraben. Ich habe später gelesen, dass die Deutschen ihr bestes Spiel bei der Endrunde gezeigt hätten. Leider hat es nicht gereicht, und wenn ich die letzten zehn Minuten gesehen habe, wie sie auf einmal gesprintet sind, und zu guten Chancen gekommen sind, dann hätte ich mir diesen Elan auch von Anfang an gewünscht und erhofft. Es sollte nicht sein, la grande nation zog ins Finale ein und für uns war das Turnier vorbei.

Nach dem Spiel trafen wir uns noch vor dem Stadion und ließen den Abend ausklingen. Einige mussten zum Bahnhof, da sie direkt in der Nacht noch nach Paris fuhren, andere von uns gingen direkt ins Hotel, da sie am nächsten Morgen früh raus mussten. David, Axel und ich gingen noch zum alten Hafen und verweilten dort noch ein wenig bevor wir auch müde ins Bett gingen.

— Wer spielt heute? —

Freitag morgen wachten Axel und ich auf, und ich fragte mich kurz, wohin wir heute fahren müssen. Wer spielt denn heute Abend wo? Zu unserem Erschrecken stellten wir fest, dass dies unser erster Tag in Frankreich war, an dem wir kein Spiel sehen sollten. Warum? Weil kein Spiel angesetzt war. Diese Amateure von der UEFA. Ich plädiere dafür zum Beispiel die Spiele um Platz sieben und Platz fünf einzuführen. Wir wären bestimmt hingegangen :)! Ein Tag ohne Fußball also? Hmmm, das kann ja nix werden. Wurde es aber…

Den zweiten Teil des Berichts lest ihr morgen…u.a. was wir am Strand in Marseille erlebten, warum wir die Geburtsstadt von Griezmann, in der wir nächtigten, noch lange in Erinnerung behalten werden und warum ich in Paris nach 4 Wochen was anderes als Baguette gegessen habe…

 

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