WM 2018: 4 Tage Moskau inkl. Deutschland – Mexiko

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Die WM in Russland rückte immer näher und ich fand mich immer mehr damit ab, auch den dritten globalen Vergleich der besten Nationalmannschaften hintereinander nur vor dem Fernsehgerät zu verfolgen. Mein letztes deutsches WM-Spiel sollte also vor 12 Jahren das Ausscheiden bei der Heim-WM im Halbfinale gewesen sein. Wahnsinn, wie lange das her ist, damals war sogar noch Italien dabei…

— Gewinnspiele sind was Tolles! —

Aber es kam anders, Ende Mai fand ich im Internet ein Gewinnspiel.Kein normales, sondern eins, welches an Bedingungen geknüpft war. Man solle begründen, warum man der Richtige für eine 4-tägige Moskaureise sei und darüber einen Bericht schreiben. Ich dachte mir, schön, dass sie ausgerechnet mich suchen und mich zur WM einladen wollen und so gab ich meine Visitenkarte ab. Keine 24 Stunden später kam die Glückwunschmail in meinem E-Mail-Postfach an und ich hatte tatsächlich eine Reise für zwei Personen mit allem Drum und Dran gewonnen. Flug, 3 Nächte im super zentral gelegenen Gudenov-Hotel, 2 Haupttribünenkarten der Kategorie 1 für das Spiel Deutschland gegen Mexiko, Stadtrundfahrt, Rahmenprogramm, Abendessen, WM-Party, es sollte an nichts fehlen. Sport Münzinger aus München hatte mich auserwählt! Da Britta und ich eh vor hatten noch einen kleinen Wochenendtrip im Juni durchzuführen, fiel es mir leicht sie als meine Auserwählte zu bestimmen und mit ihr die Reise anzutreten.

— Los gehts! —

Und so ging es am Freitag in der Früh los. Lufthansaflug LH1305 brachte uns sicher von Frankfurt in die russische Hauptstadt. Da ich sonst nur u.a. Ryanair-, easyjet- und sunexpress-Flüge gewohnt bin, war ich über die kostenfreien Annehmlichkeiten während des Fluges erst überrascht und dann wohlgesonnen zugetan. So speiste ich nicht nur vorzüglich, sondern ließ den Flug auch bei zwei, drei Bier kurzweilig vergehen. Die netteste Stewardess, die ich je erlebt hatte, hätte am liebsten mit uns eins mitgetrunken, so gut war sie drauf, besann sich dann aber wohl doch noch auf ihre vielleicht dadurch gefährdete Karriere bei der Kranich-Airline.
Gegen kurz vor eins kamen wir pünktlich im sonnigen Moskau an. Wir lernten unseren orts- und sprachkundigen Reiseführer Bernd kennen, der uns die kommenden Tage alles Wissenswerte rund um Moskau erzählen sollte, inklusive der ein oder anderen Anekdote natürlich. Es war übrigens laut eigener Aussage seine 602. Einreise in Russland. Per Bus ging es zum Hotel, welches vorzüglich gelegen war. Fußläufig zur Hauptfußgängerzone und zum Kreml konnten wir jederzeit die Stadt genießen. Am Nachmittag schlenderten wir zum ersten Mal durch die Straßen und waren auf Anhieb beeindruckt von der Metropole. Nun kann man sagen, es ist WM, die Stadt hat sich extra rausgeputzt, strahlender Sonnenschein bei 27 Grad, alles sicherlich richtig, aber die prunkvollen Gebäude und Bauten haben sie sicherlich nicht in den letzten 4 Wochen für die WM gebaut.

— Invasion der Latinos… —

Moskau konnte man an diesem Wochenende auch Little Latin America nennen. Unglaublich wie viele Süd- und Mittelamerikaner sich in der Stadt tummelten. Mexikaner, Peruaner, Argentinier waren die größten Gruppen, aber auch die Urus, Kolumbianer und Brasilianer waren zahlreich vertreten. Eine große fiesta fand also auf den Straßen statt. Dazu noch die Europäer aus aller Herren Länder (wenn ich jetzt erwähnen würde, dass zwei namhafte Fußballnationen fehlen würden, wäre der Gag langsam überstrapaziert, also lass ich es… 😉 ), und alle feierten gemeinsam. Gemeinsame Fotos wurden geschossen, Getränke wurden gemeinsam konsumiert, eine friedvolle und ausgelassene Stimmung erfüllte die Stadt. Russische Musikanten trugen mit einheimischen Klängen, die sie zum Besten gaben, zur Stimmung ihr Übriges dazu. Gut war sicherlich auch, dass die angesprochenen Nationen teilweise ihre erste Partie erst noch vor sich hatten, sonst wäre die Stimmung bei den Argentiniern, Brasilianern, Peruanern und auch bei uns vielleicht ein wenig getrübter gewesen…
Am Abend ging es dann auf Einladung von Sport Münzinger ins Steakhouse. Hier lernten wir auch weitere Reiseteilnehmer kennen, die auf unterschiedlichsten Kanälen die Reise gewonnen hatten. Einer wusste gar nicht, dass er an einem Gewinnspiel teilgenommen hatte. So wurde ihm seine Vorteilsmitgliedschaft eines großen deutschen Elektronikfachmarkts zum „Verhängnis“ und er „musste“ auch mit nach Moskau. Er sagte uns nur ´Ich bin doch nicht blöd und lasse mir das entgehen´. Andere gewannen die Reise im Radio. Mit diesem Pärchen, ein Deutscher und eine Kolumbianerin, die sich temporär auch als Mexikanerin verkleidete – ihr Vater hat ihr wohl ein wenig mexikanisches Blut mitgegeben –, verbrachten wir die kommenden Tage auch die meiste Zeit. Bei russischen Vorspeisen, leckerem Rindfleisch, Bier und Wodka verbrachten wir einen sehr schönen Abend.

— Moskau überall… —

Am Samstag erkundeten wir bei einer Stadtrundfahrt die Sehenswürdigkeiten Moskaus. Bernd hatte sich noch Unterstützung von der Moskowiterin Valentina geholt, und so prasselten ca. 3 Stunden zahlreiche Infos auf uns ein. „Schauen Sie nach rechts, schauen sie nach links, schauen Sie schnell nach rechts….“ Nach der Tour wäre eine kleine Nackenmassage angebracht gewesen. Nachmittags versuchten Britta und ich noch vor dem Spartakstadion Karten für das Spiel Argentinien – Island zu ergattern. Aber bei Schwarzmarktpreisen ab 1000 Euro zogen wir es dann doch vor das müde 1:1 nicht aus dem inneren des Fußballtempels zu verfolgen.

— Feiern mit den Stars! —

Abends ging es dann zur vom Reiseveranstalter organisierten WM-Party. Ca. 200 Deutsche wurden am Eingang von russischer Folklore empfangen. Festlich gedeckte Tische und wiederum sehr gutes Essen waren Teil des Abends. Ein buntes Rahmenprogramm mit russischen Tanzaufführungen und Showeinlagen rundete die Veranstaltung gelungen ab. „Stargäste“ waren neben den Fußballgrößen Calli Callmund, Mirko Slomka und Holger Fach auch Comedian Matze Knop und Kölner Starmoderator und -sänger Linus. Wer kennt ihn nicht?! Kleine erwähnenswerte Besonderheit bei der Auswahl der Getränke war, dass die russische Cateringfirma sich ausdachte, alle Getränke mit W in der Pauschale und somit für uns kostenfrei anzubieten. Bier oder Softgetränke zum Beispiel mussten selbst bezahlt werden. Aber da Wodka auch mit W anfängt, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine ganze Flasche Wodka komplett alleine getrunken. Ok, war ne 0,5er Flasche, aber gut war sie trotzdem… ;)! Ein Glas Wein und viiiiiel Wasser gehörten aber ebenso zu meiner Getränkeauswahl. So ging es dann zu später Stunde auch hemmungslos auf die Tanzfläche, was bei mir schon was zu bedeuten hat, und ich sang Arm in Arm mit Matze Knop seinen Hit Jogi Jogi Joooogi Löw. Freudetrunken verließen wir als letzte die Partylocation und brachten auch nach Mitternacht allen U-Bahnfahrern in Moskau den Song des Abends näher.
Eine Fußminute vom Hotel entfernt gab es eine kleine Bar, in der wir noch ein Abschlussbierchen zu uns nahmen. War ja auch das erste Bier des Abends….Wir saßen vor dem Lokal bei milden Temperaturen und ließen den Tag Revue passieren. Mit großer Verwunderung sah ich, wie es ab ca. halb drei hell wurde. Mein Erdkunde-Leistungskurs ist wohl schon zu lange her, mit dem Wissen aus diesem Kurs wäre meine Verwunderung, auf welchem Breitengrad Moskau dann doch liegt, wohl etwas kleiner ausgefallen. Aber um 3 Uhr ging die Straßenbeleuchtung aus und es war taghell. Faszinierend.

— Alles ist angerichtet! —

Sonntag. Matchday. Der große Tag war gekommen. Knapp 12 Jahre nach meinem letzten WM-Spiel (das war das WM-Finale 2006 Italien – Frankreich in Berlin) durfte ich wieder in den Genuss kommen, ein WM-Spiel live im Stadion zu sehen. Gut, dazwischen standen genau 27 EM-Spiele bei 3 EMs, und geschätzt weitere 300 Bundesliga-, Pokal- und Champions-League-Spiele, aber ein WM-Spiel ist noch mal spezieller. Von der Stimmung rund ums Stadion und von der Atmosphäre im Stadion, auch mein Herz schlägt da kurz vor dem Spiel etwas höher als normal, wenn die Gladiatoren den Rasen betreten und die Hymnen gespielt werden. Bevor es aber Richtung Stadion ging, stand noch der Besuch des Kremls auf dem Programm. Also ein bisschen Kultur und so erzählte uns dieses Mal Olga (wo war eigentlich Bernd?) von der Historie des ältesten Teils Moskaus, einer aus dem 15. Jahrhundert stammenden Burg an der Moskwa.
Gegen Mittag wieder im Hotel angekommen, kleideten wir uns dem Anlass entsprechend schwarz-rot-gold und machten uns auf zum Stadion. An der Haltestelle des Olympiastadions Luschniki angekommen, erwarteten uns gefühlte 100.000 Azteken. Ok, tatsächlich waren es wohl ca. 30.000. Ein Meer aus grün-weiß, singend, zog parallel mit uns durch die Straßen gen Stadion. Mexikanische Fernsehsender machten Interviews mit mir, nach den ersten ein, zwei Fragen auf Englisch, wo er sich merklich schwer mit tat, fragte ich ihn, warum wir denn nicht spanisch sprechen. Seine zeitgleiche Verwunderung und Erleichterung war ihm deutlich anzumerken. So lobte ich dann „el Tri“, so wie die Nationalmannschaft Mexikos genannt wird, als schweren Auftaktgegner. Wie Recht ich behalten sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht. Eigentlich wollte ich ihnen nur ein wenig schmeicheln…

— Treffen mit Freunden! —

Vor dem Spiel traf ich noch ca. 50 Landsmänner in einer in der Nähe des Stadions gelegenen Bar. Wir hatten uns alle dort verabredet, um noch ein, zwei Bierchen zu trinken. Ein Freund aus Dubai gesellte sich auch noch dazu und erzählte uns von einer Beinahe-Festnahme eines Freundes wegen angeblichen Tickethandels. Dieser konnte aber glaubhaft und logisch versichern, dass das Ticket ihm nur überreicht wurde, da ja auch sein Name auf dem Ticket stehen würde. Also alles noch mal gut gegangen.
Gegen 16 Uhr gingen wir dann ins Stadion, auf dem Weg trank ich noch den ein oder anderen Tequila, den die Mexikaner gönnerhaft spendierten. Meine südamerikanische Vergangenheit war sicherlich nicht hinderlich, immer schnell in ihren Kreisen aufgenommen zu werden. Ein letztes Selfie mit Pavel Pardo, ehemaliger Spieler des VFB Stuttgart, und dann ging es schon zu den Einlasskontrollen. Diese kann man sich von der Intensität wie am Flughafen vorstellen, mit dem Unterschied, dass es wegen der zahlreichen Eingänge keine Warteschlangen gab. Also insgesamt sehr streng, gerade wer auch noch weiß, was ich vor 2 Jahren von der EM in Frankreich berichtet habe, wo es trotz damals aktuellem Terror-Hype, sehr lasch zuging.
Auf unseren Haupttribünenplätzen angekommen, begrüßte ich neben uns zwei Amerikaner, von denen der Sohn gerade in Moskau wohnt. Kurzer Small-Talk und eine Analyse, warum die USA es dieses Mal nicht geschafft haben, unter die 32 auserwählten Nationen zu kommen, waren inklusive. Viel spannender war aber die Reihe vor uns. Zehn Einwohner aus Belize, südliches Nachbarland von Mexiko, machten Stimmung, als ob ihr Land selbst gleich auf dem satten Grün spielen würde.

— Das i-Tüpfelchen sollte nicht sein… —

Zum Spiel selber brauch und möchte ich gar nicht viel schreiben. Die Gazetten haben unsere Mannen und deren Spiel gründlich, teilweise zutreffend, teilweise überzogen, auseinandergenommen, 80 Millionen Bundestrainer haben sich auf Özil, Müller und Co. eingeschossen und würden alles natürlich viel besser machen. Das Spiel war sicherlich ernüchternd, aber sollten 90 Minuten die kompletten vier wundervollen Tage zunichte machen? Mitnichten. Ein kleiner grauer Farbtupfer bleibt auf dieser schönen bunten Reise, mehr aber auch nicht. Schon während des Spiels amüsierte ich mich mit den Belizern, wir tranken gemeinsam Bier, lachten und so konnte ich ganz gut den Frust ob des deutschen Spiels übertünchen. Die Mexikaner feierten einen verdienten Sieg ausgiebig, im Stadion, vor dem Stadion, in der Stadt, überall! Wir machten uns auf den Weg in die Stadt, trafen dann am Hotel unsere Mitstreiter aus Deutschland und zogen noch in ein, zwei Bars. Hier teilten wir mit Argentiniern, Brasilianern und sogar eine Gruppe von Saudis unser Leid des nicht gewonnenen ersten Gruppenspiels. Auf dem Heimweg kehrten wir noch in unsere mittlerweile liebgewonnene Stammkneipe ein, und verweilten dort bis halb fünf. Auch die Zusammenstellung unserer Gruppe, bestehend u.a. aus einem Schlosser, einem Maschinenbaustudent, einem Augenarzt, einem Arbeitssuchenden, einem Gartenbautechniker und einem Lackierer machten die Gespräche spannend, amüsant und kurzweilig.

— 4 Wahnsinnstage nähern sich dem Ende —

Der Montag galt allein der Abreise. Nach dem Frühstück ging es ein letztes Mal für einen kurzen Spaziergang durch Moskau, ehe uns das Taxi in der einstündigen Fahrt zum Flughafen brachte. Dort angekommen verbrachten wir die letzten Stunden auf russischem Territorium, ehe uns die Lufthansa Maschine wieder nach Deutschland brachte, dieses Mal mit kurzem Zwischenstopp in München. Pünktlich zu Harry Kanes Siegtreffer für England in der 89. Minute öffneten wir die Haustür.

Was bleibt von den vier Tagen im Gedächtnis? Moskau hat mich überaus positiv überrascht, die Russen sind durchweg aufgeschlossen, positiv und freundlich. Auch wenn in deren Schulen wohl nicht so viel Wert auf Fremdsprachen gelegt wird… So war ich dank Sport Münzinger ziemlich spontan doch noch Teil dieser Weltmeisterschaft und konnte die faszinierende Stimmung hautnah aufsaugen. Wie in zahlreichen vorherigen Berichten von mir schon erwähnt, ist der Zusammenhalt der Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und Kontinenten, das fröhliche Miteinander, trotz fußballerischer, aber gesunder Rivalitäten, einmalig. Die Sehnsucht nach weiteren solchen Erlebnissen ist und bleibt daher ungebrochen.

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