Am 24. August wurden dem FC Bayern als Gegner in der Champions League die Mannschaften aus Paris, Anderlecht und Glasgow zugelost. Nach Paris wollte ich schon immer mal mit den Bayern, ein Ticket bekam ich auch schon bald nach der Auslosung vom FCB zugeschickt. Doch ein beruflicher Aufenthalt in Berlin machte diese Reise zunichte. Aber Glasgow blieb ja noch. Der berühmt berüchtigte Celtic Park. Wo die Stimmung am besten sein soll. Wo 60.000 ihre Mannschaft nach vorne peitschen. Wo man mal gewesen sein muss.
— Reisevorbereitungen —
Ich machte aber mit mir selbst aus, dass ich den Flug erst buche, wenn ich ein Ticket habe – im Gegensatz zu anderen 10.000 Bayern-Fans, die auf Verdacht schon mal Flüge gebucht hatten. Die Wochen verstrichen, die Kontakte waren alle mehrmals angeschrieben, aber die 3000 Glücklichen, die ein Ticket besaßen, gaben es natürlich nicht her. 10 Tage vor dem Spiel erhielt ich eine Whatsapp. Ich hatte ein Ticket. 10 Tage vor dem Abflugdatum begab ich mich auf Flugsuche. Die günstigste Option war Folgende: Hinflug dienstags nach Glasgow, Rückflug Mittwoch von Glasgow nach London, und Donnerstagmorgen mit dem ersten Flieger weiter nach Frankfurt. Alle drei Flüge für 190 Euro. Nur was macht man an einem November-Abend in London? Zufällig war der aktuelle Champions-League Sieger Real Madrid zu Gast in der Stadt und duellierte sich mit den Tottenham Hotspurs. Ein Ticket war über eine österreichisch-bayerische Kombination an Kontakten schnell gefunden. Die Besonderheit war hier, dass nur Mitglieder des Londoner Clubs die Berechtigung hatten, Karten zu erwerben. Aber auch diese Herausforderung meisterte ich mithilfe von Bekannten.
— Los gehts: Abflug nach Glasgow —
Die Rahmenbedingungen waren also fix und so ging es am Dienstagmorgen in aller Früh auf zum Frankfurter Flughafen. 5:05 Uhr klingelte der Wecker, 5:07 stand ich unter der Dusche, 5:19 Uhr stieg ich ins Auto, 5:44 Uhr betrat ich den Flughafen, 6:45 Uhr war ich in der Luft auf dem Weg nach Schottland. Inklusive eine Stunde Zeitverschiebung landete ich um 7:45 Uhr in Glasgow, um kurz vor 9 war ich im Hotel. Andi, mein Zimmergenosse war schon am Vortag angereist. Ich wollte an der Rezeption einchecken, was aber nicht direkt gelang. „Friesen“, „no, sorry, no reservation“. Der Name vom Andi, der schon auf dem Zimmer war? Nein, nicht bekannt. Der Nachname der Person, über die wir das Zimmer gebucht hatten. Nein, auch der war nicht im System hinterlegt. Vielleicht sein Vorname? Ah, ja, jetzt hatten wir die Reservierung zumindest gefunden. Ich bat um einen Schlüssel für das Zimmer, was aber abgelehnt wurde. Andi müsste runterkommen, und mich abholen. Ich sagte, ok, er schläft aber noch. Es ist aber kein Problem, ich habe es nicht eilig. Dann warte ich hier in der Lobby auf ihn. Sie könne ihn ja jetzt anrufen und nahm den Hörer in die Hand. „BITTE NICHT ANRUFEN! Er schläft noch!“ Hat sie irgendwie nicht verstanden, aber ich konnte sie dann doch geraden noch davon abhalten ihn zu wecken!
Kurze Zeit später war Andi dann von alleine aufgewacht, und genehmigte der Rezeptionistin, dass ich aufs Zimmer durfte. Kurz die Sachen abgelegt, frühstückten wir dann und genossen das traditionelle english breakfast. Von 10 bis 12 saßen wir im Frühstückraum und ließen uns auch nicht von den Aufräumarbeiten des Personals beirren (Frühstück gibt’s bis 10) und hoben auch kooperativ unsere Füße hoch, als der Teppichboden unter unserem Tisch gesaugt werden musste. Danach erkundeten wir die Sitzgelegenheiten der Lobby, fachsimpelten mit weiteren dazugekommen Freunden, die nach und nach alle aus Deutschland einflogen. Gegen 14 Uhr und schon 5 Stunden auf englischem Boden und ich hatte noch kein Bier getrunken. Das musste zügig angepasst werden. Also gingen Andi und ich in einen nahegelegen Pub und tranken ein paar Guinness. Ein obligatorischer Pub-Burger durfte auch nicht fehlen.
— Welcome to paradise —
Gegen 18 Uhr machten wir uns, mittlerweile waren alle 8 Mitstreiter unserer Reisegruppe angekommen, auf zum Stadion. Voller Vorfreude gingen wir den letzten Kilometer von der Haltestelle auf das Stadion zu. Wie üblich füllt sich in Großbritannien das Stadion erst ganz kurz vor dem Anpfiff, aber pünktlich zur Champions-League Hymne um 19:43 Uhr waren alle 60.832 Zuschauer auf ihren Plätzen. Ein erstes Mal erlebten wir die Atmosphäre des Celtic Parks, auch paradise genannt, als die Schotten und Iren (Celtic hat irische Wurzeln) ihre Mannschaft voller Inbrunst anfeuerten (Video-Links findet ihr am Ende des Berichts). Der Spielverlauf war stimmungstechnisch für uns perfekt. Bayern war trotz früher Führung durch den Franzosen Coman nicht so dominant, es war ein Kampfspiel auf Augenhöhe, der in 74. Minute seinen Höhepunkt erlebte. Nie in meinen 26 Jahren Bayern Fan Dasein genoss ich einen Ausgleichstreffer mehr als an diesem Abend. Einen lauteren Jubel bei einem Tor habe ich bei meinen über 600 Stadionbesuchen noch nie erlebt. Jeder, und wirklich jeder mit einem grün-weißen Schal schrie vor Freude. Elektrisierend. Ergreifend. Paradise….
Kurze Zeit später köpfte dann Martinez zur abermaligen Führung und gleichzeitigem Endstand die Bayern in Front. Und so hatten wir ein perfektes Spiel: Die Stimmung überragend und Bayern gewinnt und qualifiziert sich vorzeitig für das Achtelfinale. Und auch dafür sind die Celtic-Fans bekannt: Nach dem Spiel wurden im Stadion noch die Vereinsschals mit Bayernanhängern getauscht. Leider konnte ich nicht tauschen, da ich meinen Schal, mit dem ich seit 18 Jahren zum Fußball gehe und eine Art Maskottchen ist, auch in dieser besonderen Situation nicht hergeben wollte bzw. konnte. Aber wie sich später herausstellen sollte, blieb auch ich nicht am Ende der Reise ohne grün-weißen Schal…
— Glasgower Nachtleben —
Nach dem Spiel fuhren wir immer noch voller Adrenalin wieder zurück in die Innenstadt. Andi kannte vom Vorabend noch eine gute Bar/Pub. Die St. Vincent’s Boston Irish Bar. Als wir eintrafen, kamen wir gerade noch so rein, der Schuppen war brechend voller Celtic Fans. Wir wurden aber herzlich aufgenommen, wie schon den ganzen Tag über. Und so hatte ich auch schon nach ein paar Minuten einen Celtic-Schal umhängen, ich revanchierte mich – da ich ja meinen Schal wie beschrieben nicht abgeben konnte – mit einem Guinness! Die Schotten sind alle sehr nett, zuvorkommend, fröhlich und hilfsbereit. Aber das muss ich einschränken, ich glaube das zumindest. Denn was sie sagen, ist für mich mit meinen Hobby-Englischkenntnissen nur sehr sehr schwer zu verstehen. Wenns gut läuft und nach ein paar Guinness sagen wir 50 Prozent. Aber sie lächeln, tanzen, umarmen dich, und so gehe ich mal davon aus, dass auch das was sie einem in ihrem harten schottischen Akzent so sagen, freundlich ist… ;)!
Der Abend, die Nacht in der Bar war einmalig, Live-Musik mit einheimischen Klängen tat ihr Übriges dazu. Guinness Nummer 4 bis ca. 10 schmeckten genauso gut wie die ersten 3 am Nachmittag. Um 3 Uhr war dann aber Schicht im Schacht, auch die britischen Gesetze machten vor dieser Bar nicht halt. Mit einem Security-Mann, der uns nach draußen bat, kam ich noch kurz ins Gespräch, ein Wort ergab das andere, „from germany“, „ah, very nice“, „Frankfurt“, „oh, i know Maintal-Dörnigheim…“ Ja, is klar, dass ein schottischer Pub-Rausschmeißer Maintal kennt… Eine herzliche Verabschiedung folgte, und wir waren beide erstaunt ob dieses Zufalls.
— Zugabe —
In Gedanken schon fast im Hotelbett, waren aber noch ca. 20 verrückte Schotten nicht bereit die Nacht zu beenden und so entstand eine spontane Straßenparty direkt vor der Bar. Jegliche Versuche der Barbesitzer uns nach Hause zu bitten schlugen fehl. Ein Mädel trommelte mit ihren blanken Händen ununterbrochen auf eine Mülltonne und gab den Rhythmus vor. Ein ca. 1,60m großer Celt stand auf der Mülltonne und gab den Ton an. Wenn jetzt jemand dachte, gut, das machen wir jetzt ein paar Minuten und dann geht jeder seines Weges, der hatte sich getäuscht. Bis 4:45 Uhr sangen alle ununterbrochen. Wer schauen möchte, wie das in live aussah, klickt hier.
Gegen 4 Uhr fuhr auch mal die örtliche Polizei vorbei, hielt an und ich dachte, ok „the party is over“. Aber wer lehnte sich in den Wagen um die Sache zu „erklären“. Nein, keiner der noch ca. 10 Schotten, Andi regelte das. Was auch immer er ihnen gesagt hat, nach kurzem Austausch fuhr die Polizei einfach weiter, und die Gesänge und das Getrommel hallten weiter durch die Straßen. Auf dem Weg ins Hotel verloren Andi und ich uns merkwürdigerweise, er schaffte es ein paar Minuten eher da zu sein, da ich nicht den kürzesten Weg nahm, sondern mich auf mein GPS verließ und noch eine kleine Ehrenrunde durch Glasgow drehte. Im Hotel angekommen, saß Andi in der Lobby mit 2 Guinness vor sich. Aber irgendwie muss das 10. in der Bar nicht ganz so bekömmlich gewesen sein, denn irgendwie streikte meine Aufnahmefähigkeit plötzlich. Müde, aber glücklich fiel ich, nachdem vor 24 Stunden der Wecker geklingelt hatte, ins Bett und träumte von der Celtic Symphony: Here we go again, we´re on the road again… we´re on our way to paradise….
Im zweiten Teil geht es dann nach London und ihr erfahrt warum John mein Vorhaben eines abstinenten Fußballabends schon nach wenigen Minuten zunichte machte, wer in Wembley das Stadion zum Kochen bringt und warum anscheinend jeder Security-Mann auf der Insel eine Beziehung zu Frankfurt und/oder Maintal hat…
Mehr Videos von Celtic Fans und dem Spiel findet ihr hier!